Inside Insight: Über Abschreiberlinge und andere Erstaunlichkeiten

Es schallt und raucht. Die Bildschirme biegen sich allenthalben unter dem Gewicht des Wortschwalls, der da laut und unmissverständlich aus angelsächsichen Laptops in den Cyberäther drängelt, dicht gefolgt von plagiarisierenden Deppen teutscher Sprache, die anstelle des Selbstgegorenen (weil eben schwieriger, eine eigene Meinung zu haben, als eine andere kopiert zu wiederkäuen), lieber den Schwachsinn aus englischen Landen, als die scheinbar abscheuliche Manna der “real existierende Rechstprechung” herumreichen.

Die Rede ist vom Abschreiberling, der – selber eher unzureichend mit Intellekt ausgestattet – die Kunst der Boulevaldisierung von allem und jedem bis hin zum Gehtnichtmehr beherrscht. Kunst nicht, das. Aber System.

Da liest man sich mittlerweile zunehmend schwermütig in die 811. Folge von “Wir-brauchen-eine-neue-ISL-Untersuchung” hinein, weil das Schweizer Gericht scheinbar gerkümmt ist wie die Banane, und der bisher bestbestallte deutsche Richter angeblich eine Pfeife. Na sowas. Und FIFA Kongress ist ja auch noch, und von dort kann man ja nur Ungemach erwarten.

Da haben nun ehrbare Leute jahrelang Recht der Sorte “Valais saignant” geübt (es hildebrannte aller Orten), haben dickste Dossiers nicht nur dem Zuger Gericht vorgelegt, sondern auch dem einen oder anderen Hanswurst der schreibenden Kaste (unlauter zwar, aber wen kümmert’s?), haben lustvoll in Andorra und auf Tortola Steuergelder verwirbelt, sich in Liechtenstein kundgetan (beim Real war’s wohl, denkt man, wo’s die beste Salatsauce Europas gibt, sagt man) und im Elsass Wortgymnastik betrieben (vor und auch nach dem Spargelstechen), da haben sie also alles, schön magistral, zum 1114. Mal untersucht, jedes Eckchen umgestülpt bis das bare Etwas (was war es denn wirklich?) nackt vor ihnen lag – nur um spät nachmittags, vor Jahren, ein Urteil zu erhalten, das einen Michael Kohlhaas ganz einfach umhauen musste. So frei nach der Satzung: “Recht ist nicht, was das Gericht spricht; Recht ist gefälligst, was ich behaupte!” Glasklare Befindlichkeiten eben.

Dann kam aber straks die nächste Runde, zumal die erste ja wohl nicht allen Ernstes haltbar war, oder wie meinen? Nachdem das Schweizer Gericht in Zug scheinbar nichts wert war (schliesslich bekam keiner lebenslänglich, nicht mal ein wenig), musste dringend ein anderes Gremium her, das zwar weder wirklich legitimiert, noch einen Deut besser war, als es das erste hätte sein können sollen. Ein Gutmensch plus sein A-Team aus Amerika sollten es jetzt richten, weil die Europäer, allen voran die Bananenträger aus der Innerschweiz, es ja nicht wirklich verstanden hatten, worum es denn ging, gehen sollte, hätte gehen müssen. Das Ziel war die Blattersche Eliminierung, und dieses ward verfehlt.

Der Ami aus dem Land des blühenden Informantentums (frei nach “Motto Gehlen”), der sollte es jetzt neu richten – und tat es. 4000 Seiten flossen aus seiner Feder, hunderttausende, gar Millionen an Dollar rein in die Säckel von Top Detektiven (wirklich wahr, das?), und raus kam dabei, ja was denn nu? Einmal mehr, und schon wieder, das grosse Garnichts.

Denn nach Lektüre aller Scheinwahrheiten und krampfhaft versuchter Anschwärzungen, war das Resultat nicht nur wie auch schon, sondern noch einen ganzen Takt schlimmer: der Blatter Sepp wars halt doch nicht, wurde befunden.

Wie schön wär(s) es doch gewesen, den Walliser in die Pfanne zu hauen, und seinen “Klub der Geächteten” ins fussballerische Jenseits zu schleudern. Grosse Freude überall – oder zumindest hier und dort. Hat aber nicht sollen sein. Der deutsche Richter befand ganz anders, merkte an, dass Gutjosef ab und an halt etwas schwächlich dahergekommen sei, aber ihn ans Kreuz zu nageln, nein, das nicht. Das konnte er nicht, weil die Tatsachen halt eben eine andere Sprache sprachen. Spanisch und Portugiesisch eben. Aber sicherlich kein Schweizer-Deutsch.

Jetzt war das Säurefass natürlich übergelaufen. Die Blogger der absoluten Ehrlichkeit, der Gerechtigkeit und der fein einstudierten Scham überschlugen sich vor Entrüstung, nannten das Kind beim Namen, und der Name ist nun wirklich nicht sonderlich nett. Der Richter habe Ariel an den Händen, oder besser gar: Persil. Die Gauner seien kurz vor Torschluss dann auch noch abgehaut (indem sie den Rücktritt der globalen Schmäh vorzogen), und überhaupt sei das Ganze doch ein einziger Irrwitz, denn der wirkliche Obergauner (dem weder das Schweizer Bananengericht, noch die tapferen Fighter der Kaste Gehlen auch nur das Geringste nachweisen konnten), der da, der sei nun schon wieder davongekommen. Pfui Daibi, sog I da, pfui Daibi!

Also, was nu? Jetzt müsse endlich eine “wirklich unabhängige Untersuchung her”, schrie(b)en sie. Denn die Schweizer Gerichte seien ja zum Abschminken, und der Ami-da und der Deutsche (Richter) ohnehin gekauft, unwürdig und unfähig zugleich.

Deshalb noch ein Tip zur Gutnachtgeschichte: ein hochgelobter Anverwandter und Sonderstaatsanwalt hatte gewühlt und gegrübelt, bis auch das hinterletzte Eckchen aufgewirbelt war und die unendliche Liste der Offshores von oben nach unten gekehrt wurde: nichts half es. Ein (wahrscheinlich) hochbrillianter Exstaatsanwalt, versehen mit einem Team anscheinend ebenso hochbrillianter Expolizisten des Genus homo americanus, wühlte so lange Staub auf, bis 4000 Seiten vollgepudert waren, nur um schliesslich einen angesehenen Richter alter Schule dazu zu bewegen, Recht zu befinden, wo Unrecht hätte gefunden werden müssen. Na sowas. Kann ja wohl nicht, oder kann? Kann schon, sagten sie, aber darf nicht. Jawoll.

Jetzt war denn auch das zweite Mass voll, und wieder nichts. Zum heulen, das. Und was jetzt? Na klar: jetzt MUSS, ganz einfach MUSS, eine nächste Runde her, eine nun wirklich saubere Untersuchung, eine nun wirklich unabhängige (nicht wie das schale Schweizer Gericht), eine nun wirklich saubere Geschichte, damit eben die moralisch-ethische Selbstbefriedigung der Aufrechten regieren möge über die Unzulänglichkeiten, die sich Rechtsprechung nennt und auf Kriterien basiert, die den “Aufrechten” nun aber gar nicht ins Kalkül passen: “due process”, um es mal deutsch und deutlich zu sagen. “Due process”, im Rahmen real existierenden Rechts. Dass das nicht passt, versteht sich. “Real existierend” kennt man ja, aber das war die andere Vergangenheit. Und “due process” – wo kämen wir da hin damit? Kennt man doch schon, vom Hörensagen, zumal “due process” nur dann ein solcher ist, wenn er ins Konzept passt, das eigene, das verhedderte. Also was jetzt? “Man wird sehen”, sagte der Blinde. Man wird sehen.